Rumänien: Die schönsten Wanderungen zu Bären, Wölfen und Socken
Reiseerinnerungen von WWW-Gründer Christian Hlade
Seit meiner eigenen Erkundungsreise bin ich restlos begeistert von Rumänien, von der weiten und ursprünglichen Natur. Als erster Ort kommt mir das „Sockendorf“ Deutsch-Weißkirch in Siebenbürgen in den Sinn. Geschlafen habe ich dort in einem der frisch restaurierten, kleinen weißen Vierkanthöfe. Im Hof rennen ein paar Hühner herum, zum Waschen wurde ich in den Hof verwiesen und die Toilette ist ein Plumpsklo. Ein, höchstens zwei Zimmer kann eine Bauernfamilie hier für Besucher freiräumen. Nach dem Frühstück bin ich gleich zur Kirchenburg hinübergejoggt, für die Deutsch-Weißkirch berühmt ist: Ihretwegen und wegen des ursprünglich erhaltenen Dorfbildes darf sich Viscri, wie der Ort auf Rumänisch heißt, zum Weltkulturerbe zählen. Gegründet haben das Dorf vor 800 Jahren deutsche Siedler, die Siebenbürger Sachsen. Auf unseren Reisen in dieser Region stoßen wir immer wieder auf ihre Spuren: alte Friedhöfe mit verwitternden Grabsteinen voll deutscher Namen; wir besuchen aber auch eine evangelische Kirche und ich erinnere mich an einen alten deutschsprachigen Schulmeister.
Große Küche
Das Essen, zu dem auch die Weltweitwandern-Gäste abends in einem der Höfe zusammenkommen – Polenta, Gemüse und Käse –, liefern Bäuerinnen aus dem Ort. Als Bergführer geht ein Roma-Bursche mit. So können sich die Familien ein bisschen Zusatzgeld verdienen und einige junge Leute können dank dieser Einnahmen eine Ausbildung zum Erhalt der traditionellen Bauweisen absolvieren, kürzbar. Auf dem Weg zur Kirchenburg bin ich auch bei dem winzigen Geschäft vorbeigekommen, in dem man handgestrickte Schafwollsocken kaufen kann. Begonnen hat das damit, die die alte Leana 1996 ein Sockenpaar zu zugezogenen Deutschen brachte, um sie gegen Lebensmittel einzutauschen. Das sprach sich herum, inzwischen machen bei dem Projekt „Frauen stricken Socken“ an die 120 Frauen und Mädchen mit und fertigen auch Handschuhe, Babydecken und Pullover. Für mich ist Deutsch-Weißkirch ein bisschen wie Bullerbü, eine Reise in ein bäuerliches Altertum. Freilich halten die neuen Zeiten auch hier Einzug: Mit Glockengeläut kündigt sich da ein Pferdefuhrwerk an – und wenn es um die Ecke biegt, sieht man den Kutscher mit dem Handy am Ohr.
Außer Siebenbürgen kann ich noch weitere Wanderregionen empfehlen: Im Norden Rumäniens sind die Bukowina mit ihren Moldauklöstern und ursprünglichen Dörfern zu entdecken. Vom „Hahnenkamm“, einem geschützten Naturdenkmal, sieht man schön über das Marmuresch-Gebirge. Noch wenig bekannt sind die südlichen Karpaten, dabei gibt es hier die Nationalparks Cernatal und Retezat, wo man schöne Hochgebirgswanderungen unternehmen und einsame Schluchten durchwandern kann. Von den Karpaten wiederum lässt es sich ins Walachische Weinland weiterwandern und in das Biosphärenreservat Donaudelta, ein Vogelparadies, das man auch durchpaddeln kann.
Lokal verwurzelte Guides
Zu unseren Guides zählen mehrere ausgewanderte und später nach Rumänien zurückgekehrte Siebenbürger Sachsen. Der junge Engelbert Feleki-Dengel zum Beispiel, der in Hamburg Geographie studierte und bei den Pfadfindern aktiv war, betreibt heute einen kleinen Biobauernhof auf dem Land seines Großvaters. Oder mein Freund Hermann Kurmes, der schon vor rund zwei Jahrzehnten als einer der ersten in Rumänien Naturschutz- und Ökotourismus-Projekte mit auf die Beine stellte. Heute bringen wir unsere Gäste in seiner Villa Hermani unter; Hermann und sein Sohn Leo führen sie über Alm und Flur. Ich habe hier immer wieder Ziegen- und Schafhirten getroffen und frischgemachten Käse zu kosten bekommen. Sogar eines der letzten Köhlerpaare kann man hier treffen, die einem zeigen, wie sie das Holz aufschichten und am Glosen halten.
Sehr aufregend war für mich auch das Bären-Beobachten: Wie wir da in der kleinen Pfahlhütte tief im Wald hockten, das lange Warten. Die Wälder herum sind voller frei lebender Bären (Bärenschutzprojekt!), hunderten von ihnen; aber ob heute einer auftaucht? Stundenlang haben wir auf die Lichtung und die gefüllten Futtertröge gestarrt, keiner wagte laut zu reden. Hermann und der Förster unterhielten sich auf Rumänisch. „Da, da“, sagte Hermann, und alles fuhr hoch: „Wo, wo?“ Dabei hatte Hermann nur „Ja, ja“ gemeint.
Mehr als Folklore
Am Ende sind die Bären noch gekommen, ich glaube, es waren fünf. Der erste wischte den Deckel vom Futtertrog und begann zu schmatzen. Ein paar kamen bis auf zwanzig Meter heran. Drehte „die Blonde“ eine Runde, zottelte gleich auch der große Schwarze hinterher – es war Brunftzeit. Als wir aus der Hütte kletterten, trat ein sehr großes Exemplar aus dem Gebüsch und knurrte. Keine Bewegung, deutete der Förster. Der Bär zog ab.
Die Folklore rund um Dracula erhalten die Rumänen übrigens hauptsächlich wegen der TouristInnen aufrecht. Ein Ausflug zur Törzburg, bekannt als Schloss des Fürsten der Finsternis, muss natürlich trotzdem sein. Für Vampirfans fast genauso spannend sind aber die alten Bücher, die in einer hinteren Ecke der Bibliothek der Villa Hermani schlummern und davon erzählen, wie das mit dem Vampir-Glauben begann und warum hier in der Gegend schon vor 200 Jahren so manches frische Grab nachts noch einmal geöffnet wurde.
Beste Reisezeit: Zum Wandern sollte man im Sommer, dass heißt von Ende Mai bis September nach Rumänien kommen.
Beste Wanderung: Die Wege in der Umgebung von Deutsch-Weisskirch / und die Umgebung Vila Hermani meines Freundes Herman Kurmes
Besonderheiten? Begegnungen wie mit einer anderen Zeit…
Literatur & Film: Der Rumänien-Führer aus dem Trescher-Verlag, Das Karpaten-Projekt von Werner Schmitz (Krimi)
Aufpassen: Rumänien ist meiner Erfahrung nach ein total sicheres und gastfreundliches Reiseland!
Geheimtipp: Die Vila Hermani meiner Freunde Katharina, Herman und Leo Kurmes