Essen und Wandern: Die optimale Ernährung für das Wandern
Ein Interview mit Diätologen und Sporternährungsexperten Mabon Wunder
Ob Sie nach den ersten Tagen immer noch lustvoll dahinmarschieren und morgens voller Freude aufwachen oder ob die Wanderung zur Quälerei wird, weil Sie sich jeden Tag schwächer und abgeschlagener fühlen, hängt auch von Ihrer Ernährung ab. Die optimale Balance aus Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett, der Wert von Zwischenmahlzeiten und die Extraportion Energie im Rucksack.
Was braucht ein Körper am Morgen, vor dem Start einer Wander- oder Bergtour?
Der Körper braucht das Richtige zum richtigen Zeitpunkt. Und am Morgen vor der Wanderung braucht man vor allem Energie! Es sind Kohlenhydrate, die uns dies primär zur Verfügung stellen. Eiweiße dagegen sind für die Struktur und Reparatur unseres Körpers zuständig. Am Morgen ist also ein kohlenhydratreiches Frühstück wie z. B. ein Müsli mit Haferflocken und Früchten zielführender als eine Pfanne Spiegeleier. Später, nach der Anstrengung, wenn Sie sich erholen und für den nächsten Tag regenerieren möchten, ist Eiweiß gefragt. Dann braucht Ihr Körper Reparaturbausteine in Form von winzigen Eiweißteilchen bzw. Aminosäuren. Am Ende des Tages rate ich Ihnen daher zu einem eiweißreichen Abendessen, egal ob pflanzlich oder tierisch.
Was sollten Vegetarier bzw. Veganer bei Ihrer Ernährung im Zusammenhang mit Wandern und Sport beachten?
Sie sollten sicherstellen, dass ihnen bei einer mehrtägigen Wanderung ausreichend alternative Eiweißquellen zur Verfügung stehen. Bei Veganern wären dies z. B. Hülsenfrüchte in Form von Linsen- oder Bohnengerichten und bei Vegetariern klassisch Eier oder Milchprodukte. Wenn nötig, nehmen Sie z. B. Käse, Aufstriche auf Basis von Hülsenfrüchten, etwas Räuchertofu oder ganz einfach Eiweißriegel bzw. -pulver im Rucksack mit. Gerade in Ländern oder Regionen, wo bevorzugt Fleisch aufgetischt wird, langen Menschen, die einen vegetarischen oder veganen Ernährungsstil pflegen, zwangsläufig bei den Beilagen zu – und übersehen dabei häufig das Eiweiß. Das sollte nicht passieren.
Was tun, um ein Energiedefizit rasch auszugleichen?
Energieriegel sind dafür eine sehr praktische Möglichkeit. Daher empfehle ich, stets eine Extraportion Energie für alle Fälle im Rucksack mitzuführen. Stellen Sie sich vor, Sie wären am Ende einer anstrengenden Wanderung noch mit einer Verzögerung oder einem unerwarteten Hindernis konfrontiert. Eine Stunde Extrapower kann da zum entscheidenden Faktor werden. Alternativ zum Energieriegel helfen auch ein paar Trockenfrüchte, ein Päckchen Fruchtsaft oder etwas Traubenzucker.
Fett on Track: Wie fettreich darf man sich auf einer Tour ernähren?
Fettes Essen im Alltag war lange Zeit verpönt. Durch die ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre ändert sich dies allmählich wieder. Auf dem Berg hatte Fett allerdings stets ein gutes Image, denn es hat den entscheidenden Vorteil, dass es mehr als doppelt so viel Energie enthält wie Kohlenhydrate. Genau hier liegt auch der Ursprung der traditionell fettigen Bergsteiger- oder Jausenwürste. Auf einer kräftezehrenden Tour ist fettreiches Essen daher eine klare Empfehlung.
Wie groß ist nun der Energiebedarf auf einer Wanderung?
Der tatsächliche Energiebedarf hängt natürlich in erster Linie vom Anstrengungsgrad ab. Viele wissen jedoch nicht, dass man umso mehr Energie verbraucht, je höher man sich befindet. Abhängig von Höhe und Temperatur kann der Energiebedarf bei gleicher Anstrengung um bis zu 50 Prozent zunehmen. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie auf anspruchsvollen Wanderungen in großen Höhenlagen hungriger sind, als Sie es sonst von sich kennen. Um den Bedarf zu decken, muss es aber nicht immer Fleisch oder Wurst sein. Nüsse sind z. B. ebenso eine hervorragende Energiequelle, die man im Rucksack mitnehmen kann. Und wenn die verfügbaren Speisen Sie nicht ausreichend sättigen, dann steigern Sie Ihre Kalorienmenge einfach mit einer Extraportion Fett in Form von Butter oder Öl.
Wie sinnvoll sind Zwischenmahlzeiten am Berg?
Auch wenn Low-Carb, Dinner-Cancelling oder Intervallfasten im Trend liegen – beim Wandern gelten andere Regeln als im Alltag zu Hause. Bei anhaltender intensiver Belastung verbrennt der Körper die Kohlenhydrate im Blut relativ rasch. Fühlt man sich kraftlos und ist die nächste Raststation noch weit, erhöht sich das Risiko zu stolpern und sich zu verletzen. Kippt man gar in eine richtige Unterzuckerung, erholt man sich meist nicht so schnell davon. Es kommt natürlich darauf an, wie lange Sie insgesamt unterwegs sind. Wenn Sie spüren, dass die Kraft nachlässt, ist es definitiv Zeit für eine Pause und einen kohlenhydratreichen bzw. süßen Snack wie etwa einen Apfel, eine Banane oder ein Stück Brot.
Worauf ist bei der Zunahme von Flüssigkeit zu achten?
Trinken ist das Um und Auf! Ohne Wasser geht bei Ausdauerbetätigungen gar nichts – also auch beim Wandern nicht. Warten Sie mit dem Trinken nicht, bis Sie durstig sind, denn Durst ist schon ein deutliches Zeichen von Dehydration. Nehmen Sie regelmäßig über den ganzen Tag Flüssigkeit zu sich – je anstrengender die Tour und je heißer das Klima ist, desto mehr sollten Sie trinken. In der Regel sind das mindestens drei Liter Flüssigkeit pro Tag, oft noch mehr. Bei einem hohen Anstrengungsgrad, der Sie ordentlich ins Schwitzen bringt, sind bis zu 750 ml pro Stunde durchaus ratsam. Sollten Sie aufgrund eingeschränkter Packmöglichkeiten wenig Flüssigkeit mitnehmen können, dann trinken Sie am besten noch reichlich, kurz bevor Sie losstarten und nutzen Sie unterwegs jede Auffüllmöglichkeit. Ein Trinkschlauch kann Ihnen dabei helfen, regelmäßig Wasser zuzuführen, da Sie auf diese Weise nicht jedes Mal Ihre Trinkflasche auspacken müssen.
Und wie ist das jetzt mit den oft zitierten Elektrolyten?
Der entscheidende Elektrolytbestandteil bei körperlicher Anstrengung ist Natrium. Dieses geht dem Körper verloren, sobald Sie ins Schwitzen kommen. Aus diesem Grund schmeckt Schweiß auch so salzig – dieses Salz ist, chemisch gesehen, Natriumchlorid, also Kochsalz. Woran können Sie nun einen Natriummangel erkennen? Die Muskeln werden müde und/oder es kommt zu Krämpfen. Natrium ist auch für die Schaltvorgänge unserer Nervenbahnen zuständig. Fehlt es Ihrem Körper, steigt Ihr Sturz- und Verletzungsrisiko. Auch Muskelkrämpfe beim Sport entstehen häufiger durch Natrium- als durch Magnesiummangel. Diesen Verlust können Sie ganz einfach durch die Zufuhr von Speisesalz ausgleichen. Mein Tipp: Keep it simple! Eine Prise Salz zu jeder Füllung einer Trinkflasche schafft im Nu ein isotonisches Sportgetränk, das in den allermeisten Fällen bereits einem Mangel vorbeugt.
Wie kann man essenstechnisch der Höhenkrankheit vorbeugen?
Höhenkrankheit bedeutet Übelkeit und Kopfschmerzen, begleitet von Appetitlosigkeit. Aber wenn Sie buchstäblich nichts mehr „runterbekommen“, kann dies schnell zu einer weiteren Entkräftung führen. In solch einer Situation ist man über jede Extrareserve froh, die der Körper zuvor gespeichert hat. Wenn Sie also wissen, dass Sie über eine Höhe von 3.000 Meter wandern werden, lassen Sie im Vorfeld besser keine Mahlzeit ausfallen und essen Sie immer, bis Sie wirklich satt sind. Sollten sich mit zunehmender Höhe beginnende Kopfschmerzen bemerkbar machen, dann versuchen Sie diese mit erhöhter Trinkmenge (drei bis vier Liter) eines mit Kohlenhydraten angereicherten Getränks – wie Tee mit Zitrone, Honig und einer Prise Salz – abzufangen. Dehydrierung verschlimmert die Symptome der Höhenkrankheit und vermindert den Appetit noch zusätzlich.
Sechs Tipps für die richtige Wanderkost
- Essen Sie morgens ein nahrhaftes Müsli mit Früchten und evtl. etwas Honig.
- Nehmen Sie über den Vormittag bei Bedarf ein bis zwei Stücke Obst zu sich.
- Essen sie mittags eine sättigende Mahlzeit mit Brot, Gemüse und etwas Eiweiß in Form von Käse, Wurst, Ei, Tofu, Linsen-/Bohnenaufstrich oder Hummus.
- Führen Sie Ihrem Körper während oder nach der schwierigsten Etappe einen Energieriegel oder ein paar Trockenfrüchte zu.
- Genießen Sie am Tagesende die Hauptmahlzeit in Form eines Kartoffel-, Getreide- oder Nudelgerichts mit Gemüse und viel Eiweiß in Form von Fleisch, Fisch, Eiern oder Hülsenfrüchten. Bei hohem Anstrengungsgrad auch mit einer Extraportion Butter oder einem zusätzlichen Löffel Öl.
- Vergessen Sie nicht, über den gesamten Tag regelmäßig zu trinken. Ihr Körper benötigt mindestens drei Liter Flüssigkeit pro Wandertag.
Mabon Wunder, Dipl.-Ing, BSC, ist Diätologe und leitet gemeinsam mit seiner Frau, der Ärztin Lulit Wunder, in Graz ein medizinisches Zentrum für Stoffwechsel- und Ernährungstherapie. Sowohl Hobbysportler als auch Profi-Athleten schätzen seine modernen Ernährungsansätze am Puls der Zeit – ganz gleich ob gesunde Mischkost, vegan-vegetarisch, ketogen oder rohköstlich. www.praxis-wunder.at